Das Delir: Erkennen, Ergründen, Therapieren

Das Delir ist und bleibt eines der herausforderndsten Leitsymptome, das einem in der klinischen Praxis begegnen kann. Es zeichnet sich einerseits dadurch aus, dass es hochgradig unspezifisch ist. Andererseits erfordert es aufgrund der Akuität und der Tatsache, dass das Delir letztenendes nur anzeigt, dass ein Patient kritisch krank ist, eine schnelle und aufwändige diagnostische und therapeutische Aufarbeitung. Inspiriert durch diverse Literatur, persönliche Erfahrung und die aktuellen Leitlinien habe ich mir dafür einen im Wesentlichen dreischrittigen Prozess angewöhnt, der in diesem Beitrag kurz erklärt und in einer kleinen weiteren Serie von Beiträgen genauer aufgearbeitet wird.

1. Das Delir erkennen

Delirante Symptome können sich durch hyperaktives Verhalten aber auch durch hypoaktives Verhalten äußern. Patienten mit einem hyperaktiven Delir muss man in der Regel nicht lange suchen. Das sind die Patienten, die aufgrund der Tatsache, dass sie nicht mehr führbar sind, sich so sehr bemerkbar machen, dass sie gar nicht übersehen werden können. Das hypoaktive Delir ist aber wahrscheinlich gar nicht viel seltener, wird aber wesentlich häufiger übersehen. Wie man auch Patienten mit hypoaktiven Delir identifiziert und sich bei Patienten mit hyperaktiven Symptomen in der Diagnose nicht irrt (weil es sich zum Beispiel eben doch eher um eine akute Psychose bei bekannter wahnhafter Störung o. ä. handelt), darum geht es im Beitrag zum ersten Schritt.

2. Das Delir ergründen

Dieser Punkt mag verwirrend klingen. Doch ein Delir zuerkennen reicht nicht aus. Insbesondere reicht es nicht dafür aus, daraus therapeutische Schritte abzuleiten. Denn wie eingangs erwähnt, zeigt ein Delir in erster Linie an, dass ein Patient kritisch krank ist. Die Symptome des Delir sind leider relativ stereotypisch auch bei unterschiedlichen zugrunde liegenden Krankheitszuständen. Aus dem Delir an sich lässt sich deshalb noch nicht darauf schließen, welche konkreten Krankheitszustände und Risikofaktoren (die sogenannten prädisponierenden und präzipitierenden Risikofaktoren), dafür gesorgt haben, dass in dem konkreten Fall die individuelle Delirschwelle überschritten wurde und ein Delir ausgelöst wurde. Die Identifikation dieser Risikofaktoren ist jedoch essenziell, um eine sinnvolle weitere multimodale Therapie des Delirs einzuleiten.

3. Das Delir therapieren

Kaum ein Satz frustriert nicht so sehr wie die Aussage: „Der Patient XY hat ein Delir entwickelt, ich habe eine Therapie mit Pipamperon und Risperidon begonnen“. Der Ansatz, ein Delir mit Neuroleptika zu behandeln ist natürlich grundsätzlich nicht falsch. Gerade die hyperaktiven deliranten Syndrome bedürfen häufig einer Therapie mit Neuroleptika. Für mich ist es jedoch das gleiche als würde man sagen, Patient XY hat eine Pneumonie entwickelt. Ich therapierte mit Paracetamol, jetzt hat er kein Fieber mehr. Genau wie bei der Pneumonie der Einsatz von Paracetamol durchaus sinnvoll ist, um sich ergebende Symptome wie Fieber zu lindern, bedarf es sei jedoch sowohl bei der Pneumonie einer kausalen Therapie (dann natürlich mit Antibiotika) als auch beim Delir einer kausalen Therapie der präzipitierenden Risikofaktoren. Damit ist auch klar, weshalb Schritt zwei so gleichermaßen wichtig wie häufig ignoriert ist. Denn ohne Schritt zwei sind dem Behandler die konkreten therapiewürdigen Krankheitszustände ja gar nicht bekannt.

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