Schwindel Arbeitshilfe

Jeder kennt ihn: den Endgegner der neurologischen Leitsymptome, der Schwindel. Irgendwann erreicht wohl jeden Neurologen die Frustration, dass man bei Schwindel nur verlieren kann, weil jede noch so gute neurologische Untersuchung, die eine periphere Genese anzeigt, auch einmal eine zerebelläre Ischämie übersieht. Also lieber gleich alle Patienten auf die Stroke Unit aufnehmen? Dafür ist wohl keine Stroke der Welt groß genug. Doch es gibt zumindest ein paar Hilfen, an Hand derer man sich in der Anamnese und der klinischen Untersuchung entlang hangeln kann.

Anamnese

In der Anamnese muss zunächst zwischen chronischem, attackenartigem und akutem Schwindel unterschieden werden. Schlaganfallverdächtig ist der akute anhaltende Schwindel. Um einen Schlaganfallverdacht weiter zu untermauern kann man sich am Akronym „ACHT“ entlang arbeiten: A steht für das Alter, bei über 60-jährigen ist ein Schlaganfall grundsätzlich wahrscheinlicher. C steht für klinische Symptome, lassen sich anamnestisch zusätzliche ggfs. passagere fokale Symptome erfragen, ist der Aufenthalt auf der Stroke gebucht. Hier sollten direkt auch Hörstörungen erfragt werden, die eher an einen M.Meniere denken lassen könnten. H steht für History, ein Erstereignis macht eine Ischämie wahrscheinlicher als chronisch rezidivierende Probleme. T steht für Trigger, ein auslösender Faktor (meistens bestimmte Bewegungen) macht eine Ischämie unwahrscheinlich und sollte eher an peripher vestibuläre Genesen denken lassen.

Klinische Untersuchungen

Am Anfang steht die routinemäßige klinische Untersuchung, lässt sich bereits hier ein fokalneurologisches Defizit herausarbeiten, ist natürlich ein Schlaganfall zu vermuten. Doch sollten beim Schwindel darüberhinaus weitere Untersuchungen erfolgen: jeder Patient mit Schwindel sollte gelagert werden. Außerdem gehören der Kopfimpulstest, die Überprüfung der Okkulomotorik unter Frenzelbrille und der Test of Skew dazu. Ergeben sich dann Indikatoren des HINTS Protokoll (normaler Kopf-Impulstest, pathologischer Nystagmus oder Skew Deviation), sollte ein Stroke Bett gesucht werden.

Funktionelle Schwindelsymptome

Die Patientengruppe der funktionellen Schwindelsyndrome legt häufig einen langen Weg zurück, bis sie jemand diagnostiziert. Auch diese Gruppe sollte also nach Möglichkeit früh identifiziert und einer sinnvollen Therapie zugeführt werden: Besteht eine große Differenz zwischen dem subjektiven Leidensdruck und dem objektivierbaren funktionellen Status, muss der Verdacht auf ein funktionelles Schwindelsyndrom gestellt werden. Leidet der Patient also lange unter den ganzen Tag anhaltendem Schwindel, ohne dass Stürze stattfinden und lässt sich eine Besserung unter Ablenkung bei einem Patienten feststellen, der sonst vollkommen verkrampft wie auf einer Eisfläche steht, ist das auf eine funktionelle Genese verdächtig. Auch eine Besserung unter Alkohol ist bei diesen Patienten häufig. Es ist wichtig diese Patienten auch in einer Notaufnahme zu identifizieren und dann einer gezielten weiteren somatischen Ausschlussdiagnostik zuzuführen, um anschließend eine therapeutische Option in der Psychosomatik zu eröffnen.

Schwindel ist und bleibt auf Grund der heterogenen Ätiologien unterschiedlicher Dramatik und Akuität ein komplexes Symptom. Es gibt jedoch Hilfen, mit denen man Schwindelpatientinnen und -patienten strukturiert abarbeiten und mit einiger Sicherheit diagnostizieren kann.

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