Zwei abgewendete Notfälle an einem Tag

In der Welt der Medizin gibt es oft den Ansatz, dass schwer kranke Menschen auch entsprechend aussehen. Dies ist eine der Dankbarkeiten in der Notfall- und Intensivmedizin: Die Diagnose ist oft auf den ersten Blick ersichtlich, und die Behandlung folgt klar.

An einem sonnigen Dienstag betrat ich den Schockraum und traf auf eine Patientin, die völlig entspannt und gut gelaunt wirkte. Dies war jedoch nicht der Eindruck, den ich erwartet hatte, nachdem ich zuvor ein Telefonat mitverfolgt hatte, bei dem am anderen Ende eine gewisse Panik spürbar war. Meine Kollegin aus der Notaufnahme hatte von einer Patientin berichtet, die an einer lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung litt und jederzeit reanimiert werden musste. Ich entschied, dass dies in unseren Zuständigkeitsbereich fiel und ließ den Mann zu uns bringen.

Die Patientin erzählte, dass sie genervt war, weil ihr implantierter Defibrillator ihr ständig Elektroschocks verpasste – das tat natürlich weh! Deshalb hatte sie ihren Hausarzt aufgesucht, der die Patientin dann dem Rettungsdienst übergab. Abgesehen von den Elektroschocks hatte sie keine anderen Beschwerden, keine Brustschmerzen und keine Anzeichen einer Infektion.

Die Frage war nun: Konnten wir ihn einfach wieder nach Hause schicken?

Obwohl es verlockend war, eine so gesund aussehende Patienten sofort aus dem Schockraum zu entlassen, nahmen wir uns die Zeit für eine gründliche Untersuchung. Bis auf eine beschleunigte Herzfrequenz fanden wir jedoch keine eindeutigen Hinweise. Als Assistenzarzt in der Neurologie entschied ich mich daher für einen letzten Schritt und ließ ein EKG durchführen, ohne direkt einen Kardiologen hinzuzuziehen. Das Ergebnis war überraschend: Es zeigte eine regelmäßige Breitkomplextachykardie, eine Herzrhythmusstörung, die ich zwar schon oft gesehen hatte, jedoch selten bei Menschen, die noch atmeten. Ich hätte gerne behauptet, es handele sich um eine harmlosere supraventrikuläre Tachykardie mit Block, aber die Vor-EKGs im System und die Fusionsschläge auf dem Monitor ließen keinen Raum für solche Ausreden.

Was sollten wir also tun? Eine ventrikuläre Tachykardie kann entweder mit einer Defibrillation oder Amiodaron behandelt werden – beides sind keine sanften Maßnahmen, besonders wenn der Patient äußerlich so gesund aussieht. Doch dann erinnerte ich mich an einen anderen Patienten an einem anderen Tag: Dieser hatte einige Stunden nach einer Herzkatheteruntersuchung plötzlich eine VT entwickelt und war reanimationspflichtig geworden, noch bevor das Amiodaron wirken konnte. Damals war offensichtlich, dass er dringend Hilfe benötigte, auch bevor es sich äußerlich zeigte.

Wir entschieden uns für eine Kurzinfusion von 300 mg Amiodaron. Eine Stunde später hatte die Dame einen normalen Sinusrhythmus und fragte, wann er endlich nach Hause dürfe.

War es eine Anaphylaxie? Eine Infektion? Oder etwas ganz Anderes?

Einige Stunden später wurde uns ein 80-jähriger Mann mit der Ankündigung eines „anaphylaktischen Schocks“ gebracht. Er hatte zuvor eine CT-Untersuchung von Brust, Bauch und Becken zur Vorbereitung auf eine Operation an einem Aortenaneurysma erhalten. Auch er wirkte schläfrig und atmete schneller als normal, aber sein Zustand schien deutlich besser zu sein als der Durchschnitt der Patienten, die in unseren Schockraum kamen.

Wir begannen mit einer gründlichen Untersuchung und kamen schnell zu dem Schluss, dass der Verdacht auf eine Anaphylaxie nicht bestätigt werden konnte. Stattdessen hatten wir einen Patienten vor uns, der schläfrig war, schnell atmete und einen niedrigen Blutdruck von 60 mmHg systolisch hatte. Die Blutgasanalyse zeigte eine erhöhte Laktatkonzentration von 5, und der pH-Wert war aufgrund einer Kompensation durch die Atmung ausgeglichen. Nach einigen Minuten des Rätselratens war es offensichtlich: Es handelte sich um eine Sepsis. Glücklicherweise hatte er sein CT bereits dabei. Nach genauerer Betrachtung fanden wir Hinweise auf eine Lungenentzündung (Pneumonie), und seine Körpertemperatur betrug 39°C.

Obwohl es viele Gründe gab, den Fall nicht übermäßig zu dramatisieren – niedrige Entzündungswerte im Labor und gute Sauerstoffversorgung – war das klinische Bild eindeutig. Daher führten wir das WHO 1-Stunden-Sepsisbundle durch, nahmen Blutkulturen ab, verabreichten dem Patienten 1 Liter Flüssigkeit (obwohl er eine bekannte schwere Aortenklappenstenose hatte), Piperacillin/Tazobactam und Noradrenalin. Am nächsten Tag konnte er die Intensivstation verlassen.

Die Lehre aus diesen Fällen?

Was habe ich aus diesen Erfahrungen gelernt? Wer in vermeintlich gesunden Patienten kritische klinische Situationen erkennt, sollte nicht zögern und konsequent handeln, anstatt den Ereignissen hinterherzulaufen.

Übrigens, die meisten Patienten, die zu Hause eine Sepsis entwickeln, werden erst zu spät ins Krankenhaus gebracht. Daher sollten auch medizinische Laien wissen: Bei Anzeichen einer Infektion, schnellem Atmen und Bewusstseinsstörungen, ab ins Krankenhaus! Das Bundesministerium für Gesundheit bietet sogar einen Online-Check dafür an.

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